Künstliche Intelligenz – TEIL 4 von 4

Teil 2 unseres Interviews mit KI-Experte Prof. Ulrich Bodenhofer. Teil 1 gibts hier nochmal zum Nachlesen: Künstliche Intelligenz – TEIL 3 von 4 – lean-mc.com

 

Welche Branchen interessieren sich am meisten für KI-Lösungen?

Prof. Ulrich Bodenhofer: So pauschal kann man das, glaube ich, nicht beantworten. Ich sehe einerseits ein starkes Interesse im Dienstleistungsbereich, dort wo Digitalisierung keine Routine-Akt ist, sondern intelligente Vorgänge digitalisiert werden sollen, bspw. im Customer Support oder ähnlichem. Traditionell beschäftigt sich die Prozessindustrie schon länger mit Machine-Learning, um ihre Prozesse zu optimieren. Das hat durch Industrie 4.0 noch einen weiteren Schub bekommen. Große Potenziale sehe ich noch im Vertrieb. Diesem Thema haben wir uns ja bei QUOMATIC.AI verschrieben. Das Gleiche gilt für die Medizin. Es ist unglaublich wie viele Daten im medizinischen Bereich gesammelt werden, aus denen man mit Machine Learning nützliche medizinische Aussagen oder Tools ableiten könnte (die Medizin ist ja zu einem großen Teil eine empirische, also datenbasierte Wissenschaft). Stattdessen dienen diese „Datenfriedhöfe“ derzeit vornehmlich der internen Dokumentation für den Fall eines Rechtsstreits wegen eines möglichen ärztlichen Kunstfehlers.

 

In unserem letzten Artikel beschrieben wir die unterschiedlichen Rollen für ein erfolgreiches KI-Projekt. Welche Rollen sind besonders wichtig bzw. was passiert wenn bestimmte Rollen vernachlässigt werden?

Prof. Ulrich Bodenhofer: Den Rollen an sich habe ich nichts hinzuzufügen. Ich möchte aber an dieser Stelle noch ein paar weitere Aspekte ansprechen. Ich finde es vor allem sehr wichtig, dass die verschiedenen Rollen gut miteinander kommunizieren. Es ist nicht möglich, optimale KI- bzw. Machine-Learning-Modelle zu erzielen, wenn man die eigentliche Aufgabenstellung und ihr Umfeld nicht ausreichend verstanden hat. Deshalb ist die Kommunikation zwischen KI-Forscher*innen und Data Scientists einerseits und den Fachexpert*innen andererseits sehr wichtig. Auch Letztere müssen in der Lage sein, Ideen einzubringen und dafür ist auch ein gewisses Verständnis der Methoden von großem Vorteil. Bei vielen Projekten ist auch die User-Perspektive sehr wichtig. Wenn Menschen einen Nutzen von einem KI-System haben sollen, dann muss dieses auch so gebaut sein, dass es eine Hilfe und keine Last ist. Ich denke da mit Schaudern an Chatbots und menügeführte Call-Center. Ich erspare mir dazu jeden weiteren Kommentar, sonst werde ich noch ausfällig. Aber zurück zum Konstruktiven: Auch wenn es letztendlich um die Kohle geht, man muss Nutzen ganzheitlich betrachten, daher ist die Einbindung der Menschen, denen ein System nützen soll, von essenzieller Wichtigkeit.

 

Sie haben vorher schon einige Ausblicke in die Zukunft gegeben. Trotzdem möchten wir wissen, wie sich der KI-Trend in der Privatwirtschaft abzeichnet. Werden Investitionen steigen oder zurückgehen?

Prof. Ulrich Bodenhofer: Ich habe mich schon bei den vorherigen Fragen mit Blicken in die fernere Zukunft zurückgehalten und so halte ich es in dieser Frage auch. Hypes kommen und gehen. Ich mache mir keine Illusionen, dass der KI-Hype jetzt für 50 oder gar 100 Jahre anhalten wird. Und das ist auch gut so. Die Trittbrettfahrer und selbsternannten Gurus werden zum nächsten Thema weiterziehen und dort ihr Unwesen treiben. Das, was KI jetzt schon kann, wird sie immer können. Die bestehenden Erfolge sind Fakten. Und es werden noch viele tolle Sachen dazukommen. Es wird weitere Investitionen geben und es wird weiterer Nutzen für Mensch und Wirtschaft entstehen, egal wo wir uns gerade in der Hype-Kurve befinden.

 

Für unsere zukünftige Arbeitswelt sieht das ja vielversprechend aus. Nun aber zwei Fragen zu allgemeinen Themen. Welche Erfahrungen haben Sie mit klassischen Vorurteilen zu KI gemacht. z.B. Wir verlieren unsere Arbeitsplätze bis hin zu KI übernimmt die Weltherrschaft?

Prof. Ulrich Bodenhofer: Bislang keine. Diese Ängste kursieren entweder nur unter Menschen, mit denen ich keinen Kontakt habe, oder sie sind medial herbeigeredet.

 

Viele Menschen haben Angst vor KI. Man siehe solche Filme wie Terminator oder iRobot, wie die Roboter als Hilfe für die Menschheit geplant waren aber sich irgendwann gegen diese gestellt haben. Ist somit die Angst berechtigt oder werden wir Menschen immer die Oberhand behalten?

Prof. Ulrich Bodenhofer: Man muss hier ganz klar zwei Begriffe voneinander trennen: Das, wovor sich manche Menschen fürchten, ist die sogenannte „Starke KI“, oder wie sie oft auch genannt wird, die „Artificial General Intelligence (AGI)“. Das bezeichnet eine Maschine bzw. ein Programm, das tatsächlich über sogenanntes Weltwissen und kognitive Fähigkeiten wie ein Mensch verfügt und selbständig neuartige Problemstellungen lösen kann. Diese KI gibt es derzeit nicht und es wird auch noch länger nicht geben. Ich beteilige mich nicht an Prognosen, aber die nächsten 25 Jahre bereitet mir das keine schlaflosen Nächte. Alle aktuell verfügbaren KI-Lösungen sind der sog. „Schwachen KI“ zuzuordnen. „Schwach“ ist in diesem Fall nicht wertend gemeint, sondern bezeichnet lediglich den Umstand, dass ein System nur eine bestimmte Aufgabenstellung lösen kann. Es ist bspw. möglich, Bilder von Hautveränderungen bedeutend besser als ein Mensch als gutartig oder bösartig erkennen zu können. Dieses System basiert aber nur auf visuellen Mustern. Es hat nicht die geringste Ahnung von Haut, Menschen, Krebs, Medizin oder was auch immer. Davor muss sicher niemand Angst haben. Ob die Menschen immer die Oberhand behalten werden, weiß ich nicht. Es ist aber auch keine Frage, die mich aktuell beschäftigt.

 

Vielen Dank für das ausführliche Interview und den Einblicken darüber, wie KI unsere Arbeitswelt verändern wird.

Prof. Ulrich Bodenhofer: Sehr gerne, vielen Dank für Ihre interessanten Fragestellungen!

 

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